Für die einen die reine Pornographie, für andere ein wahres Meisterwerk. Stille Tage in Clichy von Henry Miller spaltet auch nach all den Jahren noch die Gemüter. Jedem soll selbst die Entscheidung darüber obliegen, für welche Ansicht er sich entscheidet, aber eines darf man nicht vergessen. Es ist ein unverhohlener Blick auf das Paris der 30er Jahre, der so gar nicht zur Stadt der Liebe passen will. Hier die Buchkritik zu Henry Millers Stille Tage in Clichy.
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Zum Autor Henry Miller
Henry Miller wurde 1891 in New York geboren. In seinen frühen Jahren schlug er sich nach abgebrochenem Collegestudium jahrelang als Landstreicher durch. Schließlich ergatterte er einen Job bei der Western Union Telegraph Company, welcher den Grundstein für seine spätere schriftstellerische Karriere legte. Im Alter kam die Malerei und Philosophie hinzu. Zu seinen berühmtesten Werken zählen die Roman-Trilogie Sexus, Plexus und Nexus sowie Der Wendekreis des Krebses und Der Wendekreis des Steinbocks. Henry Miller war zeitlebens ein umstrittener Autor, dessen Bücher zum Teil sehr, sehr lange auf dem Index standen. Er nahm nie ein Blatt vor den Mund und beschrieb detailreich, was er sah. Der fünf mal verheiratete Miller lebte seine letzten Jahre alleine und starb 1980 in Kalifornien.
Inhaltsangabe Stille Tage in Clichy
Joey und Carl haben leben zusammen in einer Wohngemeinschaft mitten in Clichy, einem Ort direkt an der Stadtgrenze Paris. Sie schlagen sich als Autoren mehr recht als schlecht durch und leben von der Hand im Mund. Sobald sie an Geld kommen steigern sie ihre Lebenslust ins unermessliche und prassen über alle maßen hinaus, bis sie am nächsten Tag wieder darben müssen. Sie leben in sexuellen Exzessen, trinken, feiern, saugen alles in ihrer Umgebung auf, bis sie es überdrüssig werden. Carl stolpert von einem Abenteuer ins nächste und kann seinen Kopf immer nur knapp aus der Schlinge ziehen. Er liebt den Tanz am Abgrund, braucht ihn sogar für seine Schreiberei. Joey ist etwas abgeklärter und doch stürzt er sich von einer Liebschaft in die nächste, immer bereit den Nutten auch seinen letzten Franc zu opfern. Clichy bietet Joey und Carl die perfekte Kulisse für ihre Abenteuer, für ihre unbändige Gier nach wahrem Leben, oder was sie dafür halten.
Kritik Stille Tage in Clichy
Henry Miller beschreibt ein Clichy / Paris der 30er Jahre, wie es dem Leser heute kaum noch verständlich zu machen ist. Er zeigt die Schönheit in der Grausamkeit des Proletariats, den scheinbaren Wahnsinn, in welchen sich auf den ersten Blick, unvernünftig die Leute stürzen und vergisst nicht die Katerstimmung danach.
Stille Tage in Clichy gibt dem Leser einiges zu denken auf. Die Hauptfigur Joey, aus dessen Sichtweise der Roman erzählt wird, hastet unruhig durchs Leben, immer auf der Suche nach dem nächsten Fick, nach der nächsten Frau und kommt niemals zur Ruhe. Wie ein Getriebener wird der Leser immer weiter in den Bann Joeys gezogen und lässt moralische Grenzen sinken. Ganz gleich, ob im Buch die 15-jährige Colette in die Wohngemeinschaft aufgenommen wird, ob sie eine Nutte um 200 Francs betrügen oder sich Christine teilen, es scheint, als wäre es die normalste Sache der Welt. Teilweise nehmen sie sich gegenseitig aus, sind sich aber nicht besonders böse deswegen.
Jeder selbst muss entscheiden, wie er Stellung zu Stille Tage in Clichy bezieht. Die einen mögen es Pornografie nennen, andere ein klares Abbild der damaligen Realität und manche erkennen sich wieder auf der Suche nach einer extremen Lebenseinstellung. Eines wird jedoch deutlich bei der Lektüre des Buchs, es gab auch schon in den 30er Jahren ein Paris, welches rein gar nichts mit der verkatert-romantischen Vorstellung der Stadt der Liebe gemein hat. Mögen Millerfans Der Wendekreis des Krebses und Der Wendekreis des Steinbocks lieber sein, besteht keinerlei Anlass zur Abscheu gegen Stille Tage in Clichy. Der einzige Vorwurf, dem man Miller unter Umständen machen könnte, ist der dass er die Frauen teilweise aufs rein körperliche reduziert und nicht charakterlich ausführt. Dabei scheint es fast so, als wäre es von Miller absichtlich gewollt, um nur noch mehr auf die Jagd nach der Lebendigkeit hinzuweisen.
Das Buch Stille Tage in Clichy
Erstveröffentlicht 1956 mit dem Orginaltitel Quiet Days in Clichy, dabei entstand das Buch schon 1940. Der extreme sexuelle Inhalt des Buchs und Millers eindeutige Sprache standen einer Veröffentlichung im Weg und konnten erst nach dieser langen Zeit überwunden werden.
1970 wurde Stille Tage in Clichy erstmalig in einer Low-Budget-Produktion vom dänischen Regisseur Jens Jørgen Thorsen verfilmt. 1989 entstand eine Neuverfilmung des Stoffs durch den Regisseur Claude Chabrol. Im allgemeinen Tenor wird allerdings die Thorsen-Verfilmung bevorzugt.
Bei dieser Buchkritik wurde folgende Ausgabe verwendet:
Miller,Henry: Stille Tage in Clichy (1968) Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg. Übersetzt ins Deutsche von Kurt Wagenseil mit 28 Fotografien von Brassai.