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Proteste philosophisch

Aufbruch, Revolution, Protest, Patriotismus, Verteidigung der Rechte, Eintreten, Durchsetzen und etwas verändern. Gute Gründe für einen Protest auf welche Art auch immer gibt es viele, aber ist es auch sinnvoll seine Zeit für ein protestives Verhalten zu opfern? Ein kleiner philosophischer Ausflug in die Welt der Proteste.

Philosophischer Protest

Man empört sich, man protestiert, man wird dazu gebracht, weil eine gewisse soziale Hemmschwelle überschritten wurde. Der Punkt, an dem man etwas ertragen kann wurde schon länger überschritten und so bildet sich der Protestler. Große Proteste müssen allerdings auch große Schwellen überwinden, da es ansonsten nur ein paar einzelne verbitterte Zauseln gibt. Wie sehr schätzt man es, wenn man sich nicht mehr alleine fühlen braucht, es protestiert sich in der Masse auch viel angenehmer.

Nachdem wir nun wissen, wie sich der Protestler bildet, können wir einen Blick auf die Reichweite des Protests legen und decken damit gleichzeitig verschiedene Paradoxa auf. Hangeln wir uns anhand dreier  aktueller  Beispiele  durch die Realität. Zunächst nehmen wir die Reise- und Ferienzeit, die man auch ohne Kalender punktgenau bestimmen kann. Einen Tag bevor diese beginnt steigen wie durch Zauberhand die Benzinpreise an allen Tankstellen. Es scheint ein Naturgesetz zu sein und wirklich jeder Autofahrer regt sich herzhaft darüber auf. Ein riesiges Heer von potenziellen Protestlern, die aber nur murren und nicht wirklich knurren wollen. Einzig und allein der ADAC prangert wie ein Uhrwerk die Machenschaften an und dafür wird er von seinen Mitgliedern schließlich auch bezahlt. Dennoch habe ich noch nie Massenkundgebungen gegen die Benzinpreiserhöhung erlebt. Der Autofahrer ist ein schlechter Protestler, schließlich hat er noch ein Auto. Paradox wird es allerdings in Bezug auf Bahnhöfe, wie den in Stuttgart, der Autohauptstadt Deutschlands. Hier wird eine offensichtlich schnelleres und besseres Transportsystem ausgebaut, gegen das sich die Massen plötzlich auf die Straße bewegen und teilweise mit Gewalt demonstrieren. Da wird randaliert, da wird ein grüner Ministerpräsident gewählt und sogar mit Kastanien geworfen. Selbstverständlich darf nicht vergessen werden, dass der grüne Minister sein Amt auch der Atomprotestbewegung zu verdanken hat, die in den letzten 20 Jahren durchgehend protestierte, aber nie erhört wurde. Man stellte einfach ein paar Polizisten mehr zum Castor-Transport ab und nun ja, den letzten Ausschlag auf dem Geigerzähler gab wohl doch ein Tsunami, der einen atomaren Supergau auslöste.

2010 wurde übrigens eine Studie veröffentlicht, dass beim Gau von Tschernobyl 1.5 Millionen Menschen starben, was der Öffentlichkeit aber weitgehend unbekannt blieb. Man dachte es wäre damals schlimm gewesen, aber dieses Ausmaß ist den meisten nicht gegenwärtig. Fukushima dürfte demnach noch gewaltigere Auswirkungen haben, aber dies wird man erst in 20 Jahren mit Sicherheit wissen.

Wenn man davon ausgeht, dass ein Atomprotestler also 2 Millionen Tote vermeiden möchte, fragt man sich, warum diese mittels Sitzblockaden handeln und sich einfach keine Herrscharen von Selbstmordattentätern bilden. Es scheint durchaus einen direkten Zusammenhang zwischen der Art des Protests und der Allgemeinbildung der Leute zu geben. Zudem ist ein Selbstmordattentat zwar wohl die extremste Form des Protests, allerdings auch die feigste. Man stellt seinen Standpunkt unmissverständlich dar, hat aber von potenziellen Änderungen recht wenig, zudem stellt man sich nicht den Konsequenzen seines Protests, sondern kann verständlicher weise nicht mehr verantwortlich gemacht werden. An dieser Stelle möchte ich aber nicht weiter abschweifen, sondern zurück auf die Bildung und die Eigenarten der Protestler zu sprechen kommen.

Nachdem der Protestler sein Ziel auserkoren hat, nimmt er enorme soziale Kosten in Kauf und sucht verzweifelt öffentliche Aufmerksamkeit. Soziale Kosten sind Zeitaufwand, Weiterbildung, Plakate malen, alles was eben für einen Protest zu anfällt. Beziehen wir nun diesen Aufwand auf die Masse der Protestierenden in Stuttgart und nehmen an, dass wir 50.000 Menschen haben, die nur 20 Stunden für den Protest opferten. Dies sind 1.000.000 Arbeitsstunden bei einem Bruttlohn von durchschnittlich 15.- € macht 15.000.000  Cash. Gleichzeitig durfte ich aber selbst beobachten, dass die Anreise zu den Protesten in Stuttgart zumeist mit der Bahn bestritten wurde, was dieser ebenfalls wieder Unsummen einspielte. Da fahren die Leute doch tatsächlich mit der Bahn um gegen die Bahn zu protestieren und ihr Plakat hochhalten zu dürfen…

Hätte es Alternativen gegeben? Sicherlich, denn wenn wir uns den Fakt betrachten, das soviel Zeit auf den Protest verschwendet wurde, hätte man sich eben auch für alternative Verkehrsmittel entscheiden können. Zum Beispiel hätte man eine Fahrgemeinschaft bilden können, spart dabei gegenüber einer Zugfahrt sogar noch Geld und macht damit im Endeffekt einen neuen effektiveren Bahnhof nutzlos. Da die zusätzlichen Kapazitäten nicht gebraucht würden, wären die zu erwartenden Gewinne marginalisiert worden und wo kein Geschäft, da kein neuer Bahnhof. Der Protest bewirkt aber durch seine eigene Bewegung das Gegenteil, denn es braucht zur Zeit einfach noch mehr Züge in Stuttgart und somit darf man ruhig am Verstand eines Protestlers zweifeln.

Verfolgt man diese These weiter, kommt man zu dem Schluss, dass Protestler sich in erster Linie Luft machen wollen und nicht immer den Weg wählen um effektiv etwas zu ändern. Es ist einfach ein zu gutes Gefühl sich öffentlich über etwas aufregen zu können. Ab und zu ein Protest, eint also das soziale Gefüge und stabilisiert in der Hälfte der Fälle sogar die Systeme, was nun wirklich mehr als paradox ist. Nehmen wir nun einmal an, man hätte wirklich etwas gegen den Bahnhof tun wollen, da wäre es doch ein Leichtes gewesen, sein eigenes Transportunternehmen zu gründen und die Bahn in einem fairen Konkurrenzkampf auszuschalten. Wurde nicht getan, weil eine Unternehmensgründung einfach keinen Dampf ablässt.

Es bleibt also im Fazit zu erwähnen, dass Protest mit geringerem sozialen Aufwand meist mehr bringt, als öffentliches Geschrei. Gerade gegen ein Unternehmen wie die Bahn, die das Geschrei ihrer Kunden nach pünktlichen Zügen schon seit Jahrzehnten stoisch erträgt, kommt es auf ein paar Schreihälse mehr oder weniger nicht an. Effektiver Protest zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass man ohne Gefühlsregung über Ursachen, Kausalketten und Szenarien nachdenkt und diese dann konsequent durchsetzt. Der wahre Protest ist also langweilig und natürlich, worauf so ein echter Schreihals schlichtweg keinen Wert legt…


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