Für Europa – Ein Manifest von Daniel Cohn-Bendit und Guy Verhofstadt war meine letzte Lektüre und selbstverständlich wird dieses sehr politische Werk einer Buchbesprechung unterzogen. Zusätzlich gibt es von mir selbst noch einen kleinen Exkurs zum Thema Europa, bzw. fließt auch meine persönliche Meinung in den Text mit ein. Kaum etwas ist so umstritten, wie die Europäische Union und sie wird aus fast allen europäischen Nationalstaaten heraus kritisch beäugt. Wie weit uns die EU jedoch gebracht hat und warum ein Loblied auf die EU unbedingt benötigt wird, kann uns Danie Cohn-Bendit vielleicht ein wenig näher bringen.
Für Europa – Ein Manifest – Inhalt
Die ersten 70 Seiten des Buchs beschäftigen sich ausschließlich mit dem Manifest Daniel Cohn-Bendits und sprechen von Europa und dessen Möglichkeiten in den höchsten Tönen. Zudem werden geopolitische Fakten dargestellt, auf die Eurokrise näher eingegangen und auch die Befindlichkeiten der einzelnen Nationalstaaten dargestellt.
Die Seiten 70 – 140 sind ein Interview von Daniel Cohn-Bendit und Guy Verhofstadt zum Thema Europäische Union, was schon deshalb beachtlich ist, weil beide nicht unbedingt der gleichen politischen Fraktion angehören. So ist es um so bedeutsamer, dass sich beide für ein geeintes Europa aussprechen, in dessen Rahmen man immer noch einen Diskurs führen kann.
Für Europa – Kritik und Meinung
Es scheint zur Zeit in Mode zu sein, ein wenig auf der Europäischen Union den Frust der Nationen abzulassen und vor allem auch ein Unverständnis, wie man so verschiedene Völker unter einen Hut bringen möchte. Die Griechen sind faktisch pleite, den Portugiesen, Spaniern und Italienern ergeht es kaum besser. In Deutschland marschiert Pegida und zeitgleich eine riesige Menge an Gegendemonstranten. Man sehnt sich nach der alten, stabilen D-Mark zurück und verteufelt den Euro, der angeblich so viel Unglück über uns brachte.
All diese Meinungen sind äußerst dumm, kurzsichtig und zeugen von einer geringen Aufklärung in der Bevölkerung. Wie wohltuend ist es da, das Manifest von Cohn-Bendit zu lesen, der mit einer unvergleichlichen Inbrunst für Europa wirbt. Dabei schweift sein Blick weit über den Tellerrand der Nationalstaaten hinaus und sieht Europa im globalen Verband. Wie soll sich Deutschland allein gegen Weltmächte wie Amerika, Russland, China, Brasilien, usw. zur wehr setzen? Wir hätten gar keine Chance dazu und man sollte es nicht glauben, aber in 20 Jahren gehört keiner der europäischen Nationalstaaten mehr den G8 an. Nur ein geeintes Europa kann hier gemeinsam eine Stimme erheben und seine globalen Ansprüche geltend machen.
Leider vergisst sich Cohn-Bendit ein wenig in seinem Hochgesang und so manchem Argument kann ich nicht folgen. So hält er die EU für die größte Errungenschaft der vergangenen Jahrtausende und vergisst so ganz nebenbei das römische Reich. Unter diesem wahr Europa durchaus vereint, viel aber seiner eigenen Größe zum Opfer. Genau dieses Schicksal könnte auch einem föderalen europäischen Superstaat drohen. Sicherlich zeige ich Verständnis für den Inhalt und die Aussage des Manifests, allerdings kommt es mir Streckenweise wie ein Pamphlet vor. Ich bin eben etwas zart besaitet für extreme politische Ansichten, ganz gleich aus welcher Richtung. Ich selbst bin folglich zwischen einem föderalen Europa mit freien Mandaten der einzelnen Mitgliedsstaaten und einem zu großem nicht steuerbaren Gebilde gefangen. Einerseits droht der Untergang der eigenen Kultur in der Globalisierung und andererseits die komplette Katastrophe als Einzelkämpfer des Nationalstaats. Zwischen diesen beiden extremen politischen Polen muss es einen Mittelweg geben, bei dem sich auch Euro-kritische Länder wohl fühlen.
Nur mit einem gemeinsamen Aufbegehren gibt es einen Ausweg aus der internationalen Finanzkrise. Leider gehört auch dazu, dass Deutschland seinen Beitrag leistet und dieser ist nicht zu gering. Auch vergisst man gerne, dass ausgerechnet Frankreich und Deutschland die ersten waren, die ungestraft den europäischen Stabilitätspakt der Währung brachen und keinswegs Limbo unter der Neuverschuldungsgrenze von 3% tanzten. Wie kann man also anderen Mitgliedsstaaten einen Vorwurf für eine Sache machen, an die man sich selbst nie gehalten hat? Die Alternative Griechenland aus der Europäischen Union zu werfen hätte fatale Folgen für die Entwicklung Europas und wirft die Idee eines geeinten Europas um Jahrzehnte zurück. Die Folge wäre eine Abwertung unseres politischen Gewichts in der Welt und wer glaubt, wir könnten zurück zur guten alten D-Mark, der irrt gehörig. Der Euro hat uns nichts böses angetan, der Euro hat unsere politische Vormachtstellung erhalten und ausgebaut. Er hat dafür gesorgt, dass wir bis jetzt so glimpflich durch die Krise kamen und dass wir auf Augenhöhe mit den großen der Welt verhandeln. Dazu sollte erwähnt sein, dass mit der Stabilität und Geschlossenheit Europas zeitgleich die Demokratie auf dem Prüfstand steht. Wenn sich Europa wirtschaftlich und politisch ins Abseits manövriert, werden die demokratischen Errungenschaften sicherlich als erstes geopfert.
Für mich war das Manifest erfrischend, vor allem weil man Cohn-Bendit anmerkt, dass er ein echter Kosmopolit ist. Er sieht die großen Zusammenhänge und nicht nur Preiserhöhung für Grundversorgungsgüter im nächsten Supermarkt. Meine Stimme geht klar für Europa und nicht nur durch dieses Buch, sondern gerade, weil es unbedingt notwendig ist. Wenn sich kein geeintes Europa durchsetzen kann, werden wir noch zu unseren Lebzeiten einen deutlichen Verfall der sozialen und wirtschaftlichen Umstände in den einzelnen Mitgliedsstaaten erleben können, in dessen Mittelpunkt auch die BRD gerät. Überalterung, Zusammenbruch der Sozialsystem, ein starker Rückgang der Exportwirtschaft und äußerst kritische Handelsbeziehungen mittels unstabiler Währungen sind nur einige Folgen, die uns in diesem Fall erwarten.
Wenn es Europa nicht schafft, dann sollte jeder mit ein bisschen Verstand seine Sachen packen und sein Glück in Land der wirtschaftlichen Supermächte versuchen — die europäischen Länder werden dann nämlich nicht mehr dazu gehören!
Dieser Buchbesprechung lag vor
Für Europa – Ein Maifest | Daniel Cohn-Bendit & Guy Verhofstadt
Deutsch von Philipp Blom
Carl Hanser Verlag | 2012
ISBN 978-3-446-24187
Für Europa Fazit
Wer ansonsten Europa kritisch gegenüber steht, der sollte sich unbedingt das Manifest für Europa lesen. Die Lektüre kann neue Einblicke und Ansatzpunkte vermitteln. Dennoch ist für Europa mit Vorsicht zu genießen, da die EU und die Zukunfts Europas teilweise sehr platt angepriesen werden und man sich mit dem Thema eigentlich differenzierter beschäftigen sollte. Ich wünsche Europa nur das Beste für die Zukunft, nicht zuletzt, weil auch mein Hintern dabei in der Schusslinie hängt.