Der Deutsche Bundestag kennt eine Vielzahl von Redebeiträgen, die durch die Redner nach ihrer jeweiligen Regelung angewandt werden können. Anfangs soll dargestellt werden, wie die mündlichen Verhandlungen des Plenums rechtlich eingebunden sind, um dann einen Überblick über die einzelnen Beitragsarten und ihre Anwendung gegeben. Abschließend wird nochmals auf die Wahrnehmung der Plenumssitzungen in der Öffentlichkeit eingegangen.
Die Debatte im Deutschen Bundestag
Zunächst zu den grundlegenden Verankerungen der Redebeiträge im Bundestag. Grundsätzlich ist der Bundestag und seine Verhandlungen im Grundgesetz Artikel 38 – 49 geregelt, hinzu kommt die nach Artikel 40 Absatz 1 Satz 2 selbst gegebene Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages. Zwei Körperschaften, die maßgeblich zum Ablauf der Verhandlungen und Aussprachen im Bundestag beitragen sind der Bundestagspräsident (Artikel 40 GG) und der ihn unterstützende Ältestenrat (§ 6 GOBT). Der Bundestagspräsident hat dabei die Aufgabe für den geordneten Ablauf der Verhandlungen, die Einhaltung der Tagesordnung und die Ausgewogenheit der Aussprachen zu sorgen. Er eröffnet und schließt die Bundestagssitzungen, erteilt das Wort an die Redner und kann es ihnen nach einmaliger Ermahnung auch wieder entziehen.
Debatten und Verhandlungen im Plenum des Deutschen Bundestages sind im Grundgesetz Artikel 42 geregelt. So sind die Sitzungen öffentlich und können nur nach einer geheimen Abstimmung mit einer Zweidrittelmehrheit nicht öffentlich geführt werden. Im Grundgesetz ist weiterhin das Recht für Regierungsmitglieder, Bundesratsmitglieder und deren Vertreter auf jederzeitiges Gehör nach Artikel 43 Absatz 2 Satz 2 GG verbrieft. Regierungsmitglieder, Bundesratsmitglieder und ihre Vertreter haben jederzeit das Recht das Wort im Bundestag zu ergreifen. Die Rededauer der er einzelnen Sprecher, darf wenn nicht anders vom Ältestenrat bestimmt, nicht länger als 15 Minuten betragen, jedoch können die Fraktionen bis zu 45 Minuten laut § 35 GOBT Absatz 1 auf einen Redner vereinigen. Ganz entscheidend ist hierbei die Möglichkeit der weiteren Verlängerung durch den Bundestagspräsidenten, sofern der Verhandlungsgegenstand oder der Verlauf der Aussprache dies nahe legt.“ [§ 35 GOBT (1)] Man erkennt hier, dass der Bundestag seine Aufgabe ebenfalls nicht nur in der öffentlichen Verhandlung sieht, sondern auch Möglichkeiten gewährt einzelne Gegenstände im Plenum erschöpfend zu behandeln. Spricht ein Regierungsmitglied länger als 20 Minuten, so kann nach Absatz 2 eine Fraktion die gleiche Redezeit für eine abweichende Darstellung beanspruchen.
Die große Debatte
Die große Debatte schließt sich einer Regierungserklärung an, findet am Beginn der 2. Beratung großer Gesetzesvorlagen statt oder resultiert aus besonders umstrittenen Anträgen. Feste Termine für große Debatten im deutschen Bundestag sind Einbringung und Verabschiedung des Haushalts. Sie umfassen meist mehrere Tage und werden auch in ihrer Tageslänge nur ungefähr festgelegt. Gerade in großen Debatten findet die ursprünglichste Form der Aussprache statt, da es sich um die großen Reibungspunkte in der Politik des deutschen Bundestags handelt. Diese Art der Aussprache findet durch die allgemein betreffenden Thematiken eine große Aufmerksamkeit, aber auch durch die Ehrlichkeit der Debatte, die bei dieser Art nicht immer nur auf Selbstdarstellungsversuche und Informationsvermittlung der Redner fußt.
Die Kurzdebatte
Damit die Aussprachen nicht jeglichen Rahmen sprengen, gibt es so genannte Kurzdebatten, in welchen Gegenstände zeitlich begrenzt besprochen werden. Pro Fraktion gibt es ein bis zwei Redner, sowie einen zusätzlichen Regierungssprecher, denen jeweils eine vorher abgesprochenen Redezeit von 5-10 Minuten zur Verfügung steht. Meist kommt es schon im Vorfeld in Ausschüssen zu Einigungen zwischen den Fraktionen über den Verhandlungsgegenstand. „Solche Debatten dienen in erster Linie der öffentlichen Darlegung der Ansichten der Fraktionen zu den Vorlagen.“ [Schreiner Linn S.49] Diese zeitliche Begrenzung der Redebeiträge zu einem Punkt erhöht die Effizienz des Bundestages und ermöglicht eine große Anzahl verschiedener Diskussionen an einem Sitzungstag.
Donnerstagsdebatte
Als Zwischenform gilt die Donnerstagsdebatte, die ihrem Namen nach immer Donnerstags statt findet und vier bis sechs Stunden dauert. In diesem Zeitraum finden keine anderen Gremiumssitzungen statt und sie wird live in im öffentlich-rechtlichen Fernsehen übertragen. Pro Sprecher wird eine Redezeit von 10 Minuten veranschlagt, um eine möglichst große Zahl Rednern das Wort erteilen zu können. Durch die Liveübertragung besteht ein erhöhtes öffentliches Interesse, welches von den Sprechern gern zur Selbstdarstellung und Profilierung genutzt wird.
Sonstige Debatten
Die erweiterete öffentliche Ausschussberatung ist in § 69a GOBT verankert und gebietet eine abschließende öffentliche Debatte verschiedener Ausschüsse, welche über den selben Gegenstand aus verschiedenen Perspektiven arbeiten. Die Inhalte sind meistens sehr fachlich und für Laien nur schwer verständlich. Diese Art der Debatte wird oft als 2. Lesung für einen Gesetzesentwurf verwendet und endet mit einer Empfehlung zur Abstimmung an den Deutschen Bundestag. Je nach Bedarf kommt es im Anschluss zu einer kleinen Debatte des Plenums.
Um das Tagesgeschehen besprechen zu können, gibt es die Aussprache zu Themen von allgemeinen Interesse nach § 106 GOBT. Weitläufiger ist diese Aussprache unter dem Namen Aktuelle Stunde bekannt und war ursprünglich dazu konzipiert, nochmalige Nachfragen an die Regierung zu stellen oder bei ausweichend beantworteten Fragen genauere Antworten zu fordern. Diese Debatte findet nach Vereinbarung im Ältestenrat, bei Antrag einer Fraktion oder bei einen Antrag von 5% der Abgeordneten im Absolut statt. Die Redezeit pro Redner ist auf 5 Minuten beschränkt, allerdings dürfen Regierungsvertreter nach Artikel 43 Absatz 2 Satz 2 GG nicht unterbrochen werden, was dazu führt, dass bei mehr als 10 Minuten Inanspruchnahme, eine Fraktion einen Antrag auf eine Debatte von unbestimmter Dauer stellen kann.
Im Gegensatz zur aktuellen Stunde richtet sich die Befragung der Bundesregierung direkt auf die politische Arbeit der Regierung. Sie findet immer Mittwochs um 13.00 Uhr direkt im Anschluss an die Kabinettssitzung statt und dauert in der Regel 30 Minuten. Diese Befragung wurde erst 1990 eingeführt, ebenso wie die Möglichkeiten der Zwischenbemerkungen und Kurzinterventionen. Diese erfolgen nach Worterteilung durch den Bundestagspräsidenten und sind auf 3 Minuten begrenzt. Möglich sind hierbei nach § 27 Absatz 2 GOBT kurze präzise Stellungnahmen oder eine Frage, mit oder ohne Kurzerläuterung. Der angesprochene Redner hat daraufhin das Recht im Rahmen von 5 Minuten zusätzlicher Redezeit Stellung zu nehmen.
Ein weiterer Redebeitrag im zeitlichen Rahmen von 5 Minuten ist ein Geschäftsordnungsantrag, der ausschließlich zur Klärung von Verfahrensfragen zum Debattengegenstand dient. Dieser Antrag ist in § 29 GOBT geregelt und muss vom Bundestagspräsidenten vorrangig behandelt werden.
Auch haben Abgeordnete nach § 30 GOBT das Recht auf einen Antrag zur Aussprache, um vorher getroffene Aussagen zu ihrer Personen zurück zu weisen oder richtig zu stellen. Der Gegenstand des Antrages ist dem Bundestagspräsidenten bei Meldung mitzuteilen, worauf hin dieser entscheidet, ob der Abgeordnete direkt Stellung nehmen darf oder erst im Anschluss des Beitrags. Dem Antragsteller stehen hierfür 5 Minuten zur Verfügung.
§ 31 GOBT regelt die Erklärung zur Abstimmung, welche den Abgeordneten nach der Aussprache und vor der Abstimmung über den Gegenstand eine Möglichkeit zur Äußerung über die Abstimmung bietet. Sie kann auch in schriftlicher Form erfolgen und muss ins Protokoll aufgenommen werden. Diese Art des fünf minütigen Redebeitrags wird meistens verwendet, wenn man abweichend der Fraktionsdisziplin abstimmt und sein Verhalten in der Öffentlichkeit erklären möchte.
Ein weiterer Redebeitrag im Deutschen Bundestag ist die Erklärung außerhalb der Tagesordnung nach §32 GOBT. Diesem Antrag muss nicht durch den Bundespräsidenten entsprochen werden, der zuvor über den Inhalt der Erklärung zu informieren ist. Sollte es zu einer Worterteilung kommen, so findet dies vor oder nach der Tagesordnung statt.
Als Mittel zur Erzwingung einer Debatte gilt die große Anfrage nach § 100 Satz 1 GOBT und dient meistens als Instrument der Opposition um der Regierung schlechte Arbeit nachzuweisen. Sie wird zu einem bestimmten Gegenstand schriftlich gestellt und muss schriftlich ausführlich beantwortet werden. Nachdem die Antwort erteilt wurde, wird die große Anfrage auf die Tagesordnung zur Aussprache nach §101 GOBT gesetzt. Wenn die Bundesregierung nicht innerhalb von 3 Wochen antwortet, so kann eine Fraktion oder 5% der Bundestagsabgeordneten die Aussprache nach §102 GOBT verlangen. Damit die Regierungsarbeit nicht durch zu viele große Anfragen und denen daraus resultierenden Diskussion beeinträchtigt wird, kann beschlossen werden, dass die Behandlung nur noch an einem bestimmten wöchentlichen Sitzungstag stattfindet.
Der Deutsche Bundestag ist entgegen der Landläufigen Meinung mit seinen 643 Gesetzen, 6016 Drucksachen und 13.623 Anfragen an die Bundesregierung alleine in der letzten Wahlperiode, ein sehr fleißiges Parlament. Mit jährlichen 3 Millionen Besuchern zählt es zu den bestbesuchten Parlamenten weltweit und trotzdem ist die Wahrnehmung des Souveräns über die Leistungen des Bundestags gegenteilig. Dies mag einerseits am oftmals unterbesetzten Plenarsaal liegen und andererseits an sehr fachspezifisch geführten Debatten. Auch mag es mancher Debatte an wünschenswertem Eifer und Hitze fehlen, was aber erst verständlich wird, wenn man in diesem Zusammenhang an schon mehrmals gehörte Argumentationen aus den Ausschusssitzungen denkt. Ein Abgeordneter debattiert also nicht im Plenum nicht mit der Regierung oder der Opposition, sondern es wird bis auf wenige Ausnahmen einzelne Betrachtungsweisen zu einzelnen schon vorher abgesprochen Punkten wiedergegeben. Zwar hat der Bundestagspräsident die Möglichkeit bei zu geringer Teilnahme, das heißt weniger als 25 % der Mitglieder des Deutschen Bundestages, bei Kernzeit-Debatten die Sitzung zu unterbrechen.
Blickpunkt Bundestag im Interview zu Debatte im deutschen Bundestag
„Blickpunkt: Der Bundestag soll „Forum der Nation“ sein, der Ort, an dem die großen gesellschaftlichen Themen behandelt werden. Kommt er diesem Anspruch ausreichend nach?
Hasselfeldt: Das ist sicher ausbaufähig. Vieles läuft ja im Bereich der unspektakulären Gesetzesarbeit ab, das ist auch richtig so. Aber die großen gesellschaftlichen Debatten finden eher zu selten statt. Daran sollten wir arbeiten.
Vollmer: Die großen Debatten kommen ja aus den Fragen der Zeit. Wenn man immer nur Klein-Klein diskutiert und nur an der Tagespolitik bleibt, kommt man nicht zu den großen Themen. Zudem werden große Debatten geführt von Menschen, die auch etwas zu sagen haben. Diese Persönlichkeiten nehmen mit dem Abstand zu den großen tragischen Ereignissen unserer Geschichte natürlicherweise eher ab. Hinzu kommt das sinkende Ansehen der Parlamentarier. Vor 20 Jahren war der Beruf des Abgeordneten eindeutig angesehener als heute.“
https://webarchiv.bundestag.de/archive/2007/0108/blickpunkt/101_Debatte/0507/0507050.html
Zugriff 15.11.2007
Quellen:
Deutscher Bundestag, Referat Öffentlichkeitsarbeit 2006: Fakten – Der Bundestag auf einen Blick. Deutscher Bundestag
Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juli 1980 (BGBl. I S. 1237), zuletzt geändert laut Bekanntmachung vom 26. September 2006 (BGBl. I S. 2210)
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (BGBl. S. 1), zuletzt geändert durch Gesetz vom 28. August 2006 (BGBl. I S. 2034)
https://www.bundestag.de
sh-landtag.de/pol_bildung/hintergrund/werner-patzelt_interview.pdf Zugriff 25.11.2007
Schmidt, Manfred G. (2007): Das politische System Deutschlands. Bonn: BpB, S.133-162.
Schreiner, J. Hermann / Linn Susanne So arbeitet der deutsche Bundestag: Organisation und Arbeitsweise, 20. Auflage 2007 Neue Darmstädter Verlagsanstalt, Rheinbreitenbach