Jeremias wurde von seiner Freundin Carina schon vor einiger Zeit verlassen und er leidet sehr darunter. Nach einigen Monaten der Trauer rafft er sich auf, legt sich einen neuen Look zu und bucht eine Teneriffa-Reise um dem ungemütlichen Winter in Deutschland zu entfliehen. Unglücklicherweise trifft er ausgerechnet dort auf seine Exfreundin mit ihrem neuen Lebensgefährten und beschließt sich an ihr zu rächen.
Carina und ihre Umgebung haben allerdings eine ganz andere Sicht der Dinge und es entwickelt sich ein rasante Jagd zwischen Betrug, Stalking und Mord.
Die Autorin Sabine Ibing
Die 1959 in Hannover geborene Autorin schrieb während eines vierjährigen Aufenthalts ihren 1999 erschienen ersten Roman Ch@tlove. Zwischenzeitlich kehrte sie nach Frankfurt zurück und arbeitete als Sozialpädagogin. 2011 zog sie aus persönlichen Gründen in die Schweiz und heiratete. Mittlerweile findet sie neben ihrer Arbeit wieder regelmäßig Zeit zu schreiben.
Inhalt Zenissimos Jagd
Jeremias wirkt zunächst als unscheinbares Opfer, entpuppt sich aber im Verlauf des Romans als soziopathisch schwer gestört. Carina und ihr Lebensgefährte Moritz werden immer mehr in die Ecke gedrängt, ohne genau zu wissen, von wem sie bedroht werden. Selbst die Polizei kann ihnen nicht helfen, da sie keine Anhaltspunkt findet um in eine bestimmte Richtung zu ermitteln.
Schließlich findet Jeremias eine Möglichkeit einen Banken-Hack durchzuziehen, bei dem er 10 Millionen Euro erbeutet und schiebt es Carina und ihrem Bruder Julian in die Schuhe. Carina wandert unschuldig in Untersuchungshaft und Julian stirbt, als er Jeremias auf die Schliche kommt. Die Schwägerin Laura sucht sich neue Verbündete auf der Suche nach Gerechtigkeit.
Buchkritik Zenissimos Jagd
Die ersten beiden Kapitel sind äußerst hart zu lesen und ich dachte ich bin mitten in einen schnulzigen Liebesroman gelandet. Zudem sagt mir der Stil nicht zu, was letztendlich am Lektorat des Buchs lag. Hier nur die bittersten beiden Beispiele der ersten drei Buchseiten:
- „Jeder Cut schnitt sich in sein Fleisch, wie ein Messer.“ ¹
- „Er schlief tief, trotzdem oberflächlich.“²
Dann hätten wir da noch den Protagonisten Jeremias, eine Wurst vor dem Herrn und ein reiner Unsympath mit deutlichen psychotischen Problemen. Kurz gesagt, ihm laufen die Weiber weg, weil er so eine gefühlsduselige Wurst ist. Gefällt ihm gar nicht, aber immerhin kann er dann noch mehr darüber rumheulen. Der erste willkürliche Gedanke des Lesers: hoffentlich kommt der grausame Killer in Kapitel II und legt ihn um. Perfektes Opfer, selbst für Mord.
Leider wird in Kapitel 2 dann seine Ex samt neuen Macker und Bruder vorgestellt. Durch einen dummen Zufall treffen sich alle Beteiligten im weiteren Verlauf auf Teneriffa und hier bekommt man langsam die Idee, dass die Geschichte aus der Sicht der Frau auch etwas anders gelaufen sein könnte. Die ersten Kapitel sind soweit also eine Zumutung für den Leser, aber wenn man sich tapfer durchkämpft, kommt Leselust auf und man ist gespannt, wie sich die Geschichte weiter entwickeln mag.
Richtig gut ist der Roman an der Stelle, an dem das Selbstgefühl Jeremias durch die Erfahrungen Carinas klargestellt wird. Die völlig abwegige Gedankenwelt eines verschmähten Stalkers und die dazu im krassen Gegensatz stehenden Empfindungen des Opfers Carina. Ebenso präzise ist die Darstellung der minutiösen Vorbereitung von Jeremias Rache und deren Durchführung im Bereich der persönlichen Belästigung, der Einbeziehung des Umfelds und des dadurch zunehmenden psychischen Drucks. Eine tolle Idee und eine wirklich gute Umsetzung.
Leider verliert das Buch in der Folge wieder an Schwung, was explizit am Bankenhack liegt. Einerseits wird es so dargestellt, als könne sich jeder Hacker unumwunden in eine Bank hacken und dort Konten verändern, ohne auch nur die geringste Spur zu hinterlassen. Gleichzeitig werden keinerlei Backupsysteme, dezentrale Rechner oder sonstige Bankenaufsichten in Erwägung gezogen. Alles scheint auf einem zentralem Rechner zu laufen, der auch nur durch eine sehr seichte Firewall geschützt wird. Durch diese schlüpft Jeremias unbemerkt mittels eines unbemerkten Buffer-Overflows (im Buch Buffer-Overrun?!?) und verändert dort die Buchung einer Firma von 10.000.000.- € im direkten Austausch mit einer 1.800.- € Buchung auf dem Privatkonto Carinas. Prekär ihr Bruder Julian arbeitet in dieser Bank. Während dieser Veränderung braucht Jeremias aus unerfindlichen Gründen plötzlich Carinas Passwort, welches er mit einem Keylogger erbeutet hatte. Am nächsten Tag bucht er einen Flug unter falschem Namen für sich in die Dom-Rep für ein Datum 4-5 Tage in der Zukunft und verschleiert seinen Aufenthalt über Teneriffa. Nach einem Tag in der Dom-Rep eröffnet er ein Konto auf dem Namen Corinas und kündigt für den nächsten Tag eine Überweisung der 10.000.000 an, die dann im folgenden in Chile von einem alten Hackerkameraden dort bar abgehoben werden sollen und auf ein neues Konto in Südamerika sicher versickern.
Summasummarum macht das eine Zwischenzeit von gut einer Woche, in der eine Pissbank nicht merkt, dass auf einem Privatkonto plötzlich 10 Mios rumschwirren und diese dann auch noch in die Dom-Rep verschwinden. Mal ganz davon zu schweigen, dass Carina in dieser Zeit nicht auf ihr Konto schaut (und das vor einem Urlaub) und sie auch nicht von der Bank informiert wird. Zudem wird in Deutschland jeder Betrag von über 10.000 € direkt bei der Buchung schon ans Finanzamt gemeldet und das ist schon während der echten Überweisung passiert. Und dann kommt auch noch der Überweisungsauftrag über 10. Mio in die Dom-Rep aus der Dom-Rep, während Carina erst später auf die Insel reisen möchte. Die Geschichte des Hacks ist also völlig wirr und mit Abstand ein Ding der Unmöglichkeit. Ganz von der kompletten Unfähigkeit der deutschen Strafverfolgungsbehörden zu schweigen.
Im weiteren Verlauf des Buchs wird dann Jeremias komplett aufs Kreuz gelegt und verliert das ergaunerte Geld plus sein eigenes Vermögen. Dies geschieht über einen angeblich unschlagbaren Immobilien-Deal auf Teneriffa. Dabei sagt der Helfer: „In die Firmenescritura habe ich unter den Paragraphen unsere Hausordnung abgetippt und in die Escritura für die Häuser habe ich Gesetzestexte über Erbrecht eingefügt.“³ Der super intelligente Stalker, Psycho und Hacker kommt demnach nicht einmal auf die Idee alle Papiere auch nur im Ansatz zu überprüfen.
Der nächste dicke Hund ist das Urteil im dreitägigen Prozess gegen Carina: „Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil: Das Verfahren gegen Carina Herbst, angeklagt, durch Computermanipulation bei der Höchter-Bank zehn Millionen Euro widerrechtlich unterschlagen zu haben, wird eingestellt.“¹¹ Sowie „es steht im großen Führungszeugnis.“¹² Bei einem Urteil gibt es keine Einstellung und deswegen kommt da auch gar nichts ins Führungszeugnis und was das große Führungszeugnis sein soll, weiß leider auch niemand.
Immerhin sind die handelnden Personen recht gut beschrieben und die Grundidee des Buchs ist toll. Es hätte ein richtig guter Thriller werden können, verrennt sich aber in unglaubwürdigen Handlungsabläufen, die nicht gut recherchiert sind. Würde man der Geschichte folgen, so hätte man zumindest ein glaubhaftes und logisches Verbrechen konstruieren müssen. Zudem kommt der Bösewicht noch mit mehreren angedeuteten Morden weg und kann sich somit eigentlich glücklich schätzen.
Fazit Zenissimos Jagd
Leider strotzt der Roman nur so vor Logikfehlern, die mir das Leben schwer machen. Die Grundidee der verschiedenen Sichtweisen über Stalker finde ich klasse und hier hätte ich auch gerne mehr gelesen. Die Frage ist also folglich: warum ist dies dem Verlag und dem Lektorat nicht aufgefallen und warum hat man hier nicht korrigierend eingegriffen? Ab davon ist der Schreibstil sehr angenehm und ich hätte durchaus Lust noch mehr von Sabine Ibing zu lesen, allerdings dann bitte mit einem stringenten und evidenten Inhalt. Eine Leseempfehlung gibt es nur sehr eingeschränkt, allerdings ist es wahrscheinlich für Teneriffa-Reisende ganz angenehm einige bekannte Orte und Plätze im Buch zu entdecken.
Buchgrundlage und Zitate:
Dieser Buchbesprechung lag folgendes Werk vor:
Zenissimos Jagd
Sabine Ibing
Copyright 2014 Sabine Ibing
ISBN 978-3-906014-9-7
Herstellung und Verlag: C.F. Portmann, Erlenbach
Zitate:
- Seite 10, Zenissimos Jagd; Sabine Ibing, C.F. Portmann, Erlenbach
- Seite 11, Zenissimos Jagd; Sabine Ibing, C.F. Portmann, Erlenbach
- Seite 375, Zenissimos Jagd; Sabine Ibing, C.F. Portmann, Erlenbach
- 11 Seite 350, Zenissimos Jagd; Sabine Ibing, C.F. Portmann, Erlenbach
- 12 Seite 354, Zenissimos Jagd; Sabine Ibing, C.F. Portmann, Erlenbach