Gefühlte Wirklichkeiten

Volker Pispers macht seit über 20 Jahren politisches Kabarett und ist einer der erfolgreichsten deutschen Kabarettisten. Seine Texte sind humoristisch und gleichzeitig beißend gesellschaftskritisch. Dabei nimmt er sich selbst und seine Tätigkeit auch nicht immer ganz ernst und spielt gerne mit den Klischees des Kabaretts. Sein Buch „Gefühlte Wirklichkeiten“ ist schon etwas älter, aber hat eigentlich von seiner Aktualität nur in Details verloren.

Ein Kabarettprogramm in Textform

Das Buch ist zweigeteilt. Der erste Teil ist quasi eine Niederschrift seines Programms „Damit müssen Sie rechnen“ aus dem Jahre 2000/2001, enthalten sind also Geschichten über den neuen „Bundeskohl“ Schröder, die Frage, ob das politische Kabarett nicht durch die Comedy verdrängt worden sei und erzählt schöne Geschichten über das Ärztesystem und die politische Situation zu dieser Zeit.

Im zweiten Teil erwarten den geneigten Leser dann niedergeschriebene Radiokolumnen aus der gleichen Zeit. Dabei geht es um aktuelle Themen wie die BSE-Krise oder den Armutsbericht – dessen Radiobeitrag heute 1:1 wieder gesendet werden könnte oder um zeitlose Themen, wie Schwarzgeld in der CDU (okay, das war jetzt etwas gemein von mir) oder den deutschen Fußball.

Kritik

Und wie ist dieses Buch heutzutage zu bewerten? Ich habe ja schon angedeutet, dass viele Teile kaum an Aktualität verloren haben, einige Themen haben sich nicht verändert und einige Textauszüge verwendet Pispers bis heute in seinen Programmen – und das nicht unbedingt, weil ihm nichts neues einfällt, sondern weil diese Texte bis heute aktuell sind und sich nichts verändert hat. Gerade deshalb, weil man das erleben kann, ist das Buch eine sehr interessante Lektüre.

Es ist auch ziemlich gut gelungen, das Programm niederzuschreiben, die Pointen funktionieren auch im Geschriebenen (Man stelle sich das mal bei Mario Barth vor…) und man hat nicht das Gefühl, dass irgendwas am Text fehlt, was ihn erst vollständig macht – wie Gestik, Mimik oder Betonung. Dafür gibt es ein großes Lob, denn das ist nicht einfach.

Der Titel lautet Gefühlte Wirklichkeiten – und das ist auch der rot-grüne Faden, der sich durch das Buch zieht – es gibt immer das, was passiert und das, was man glaubt, was passiert. Alle glaubten, mit Rot-Grün würde sich viel verändern, aber letzten Endes ist gar nichts passiert. Diese Frustration der Jahre 2000/2001 zusammenfassend, bringt das Buch die Lage in diesen Jahren pointiert auf den Punkt.

Wer sich einen aktuellen Eindruck von Pispers verschaffen möchte, dem sei die aktuelle Live-CD von 2012 empfohlen, aber generell ist das Buch eine richtig gute Sammlung von etwas älteren Texten, die viel Spaß macht und den Leser zu unterhalten weiß. Ich vergebe an dieser Stelle gerne 8/10 Punkten für das sehr unterhaltsame, wenn auch etwas kurze Leseerlebnis und spreche eine Leseempfehlung für alle Kabarett-Freunde und solche, die es werden wollen, aus.

Gastbeitrag

Der Beitrag wurde von unserem Gastblogger Florian Ostertag geschrieben und uns samt Foto exklusiv fürs Literaturasyl zur Verfügung gestellt. Wir bedanken uns recht herzlich und hoffen auch weiterhin viele Beiträge von ihm zu lesen.


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