Der siebte Teil der Artikelserie über meinen Selbstversuch einen Monat lang mit 300.- € aus zukommen. Das Ende und somit das Fazit stehen sind in direkter Sicht und so ist es an der Zeit doch noch einmal einen Bericht abzuliefern. Wer die Artikelserie noch nicht kennt, der kann findet hier den ersten Teil, in welchem auch alle anderen verlinkt sind.
Selbstversuchsopfer?
Wie ich schon im letzten Teil erwähnte, ich hatte das Gefühl ein wenig zu verkommen. Für mich sah es ganz danach aus, ob ich ein Opfer meines eigenen Versuch sein würde. Einerseits lies ich mich ein wenig hängen, andererseits hatte ich vielleicht auch ein wenig Stress und konnte mich einfach nicht aufrappeln. Schließlich hinterfragte ich die Situation und kam zu dem Ergebnis, dass es nicht zwingend etwas mit dem Hartz IV Experiment zu tun haben musste. Trotzdem ist es ein recht bitterer Anblick gewesen, wie Ihr auf dem Bild selbst feststellen könnt.
Essen
Diese Phase ist nun aber überwunden und ich konnte die letzten Tage nutzen, um wieder etwas aktiver zu sein. Auch zeitlich ließ sich da einiges machen. Zunächst aber noch ein paar Sätze zur Ernährung und den allgemeinen Geldausgaben. Der Winter ist angekommen und somit ändert sich auch das Futterangebot. Eine ganze Pute gebraten, sozusagen ein Erntedankfest, einen frischen Eintopf ohne Fertigprodukte und heute gab es einen kleinen Salat mit Magerquarkdressing. Die Kosten hierfür halten sich extrem im Rahmen und von der Pute konnten wir einmal mit drei Leuten essen und den zweiten Tag gab es nochmal ein Essen für zwei Personen. Die zusätzlichen Mahlzeiten gestalte ich jetzt ausgeglichener und komme zumindest in diesem Bereich monetär gesehen gut klar. Die Problematik hier ist der erhöhte Zeitaufwand, der für mich in der Berufstätigkeit schwerer umzusetzen ist. Hierzu allerdings später noch mehr. Im Bereich der Nahrungsaufnahme hätte ich aber grundsätzlich nicht geglaubt, dass ich trotzdem zu allem mehr als ausreichend und vollen Zugang hätte. Gut, es gab jetzt nicht jeden Tag Rumpsteak, Wachteleier und Hummer, aber dies kommt bei mir eh nur zu besonderen Anlässen auf den Tisch. Eine leichte Änderung ist hier vielleicht vom Angebot bestimmt. Ist ein Salat billiger, dann gibt es den eher, als einen anderen oder zum Beispiel war das Rindersuppenfleisch im Angebot, das Wetter passend und warum sollte ich dann keinen leckeren Eintopf kochen? Ich kann allerdings auch verstehen, dass der Griff zu den Fertigprodukten oder Tiefkühlpizza recht einfach ist, gerade wenn man nicht aufwendig in der Küche stehen möchte.
Jägerinstinkte
Die Zeit, die ich in der Küche stehe und irgendwelchen Töpfen beim Brodeln zusehe, verbringe ich jetzt aber auch effektiv mit meinem Experiment. Kostenlose Werbebeilagen, Einwurfsendungen und Wochenzeitungen haben es mir angetan.
Hier finde ich einen recht großes Angebot an kostenlosen Veranstaltungen und vor allem Coupons, die einem eine gute Ersparnis einbringen. Langsam kommt bei mir ein richtiger Jagdinstinkt auf und ich warte schon förmlich auf die nächste Ausgabe dieser oder jener Zeitung. Der Punkt entspricht übrigens sehr meiner ursprünglichen Intention dieses Projekts und der Überprüfung der eigenen Umgangsformen mit Geld. Zum Beispiel konnte ich dank der Coupons jetzt einen dritten Kinobesuch diesen Monat genießen. 2 Kinokarten für den Preis von einer, sowie einmal Popcorn und eine Cola gratis. Wenn ich die einzelnen Posten zusammenrechne komme ich auf circa 23.- €. Dank einer einfachen Scherenbenutzung sanken die Kosten unter 10.- €. Selbst auf einen normalen Stundenlohn umgerechnet ist das gar nicht schlecht.
Kritik
Zum Ende des Selbstversuchs beginne ich langsam zu verstehen und meine Verhaltensweisen entsprechend anzupassen. Bin ich noch recht zuversichtlich in den Monat gestartet und dachte, hatte ich zwischenzeitlich meine Probleme und musste mich selbst erst wieder umorientieren. Ich musst erst verstehen, dass es eben eine etwas andere Art des Alltags ist, die ich übrigens immer noch wertfrei betrachte. Ich sehe die Unterschiede und beginne zu begreifen, dass es Kommunikationsprobleme und auch große Probleme mit dem Selbstverständnis gibt.
Ein Beispiel sei hier die normale Lebensführung genannt. Ein arbeitender Mensch wird kaum die Zeit finden, alle Wochenzeitungen durchzuforsten und Coupons auszuschneiden, obwohl sich das für jeden lohnen würde. Er kann nicht mal kurz hier mal kurz dahin springen und sich die billigen Angebote einzeln rauspicken. Diese Doppelbelastung führte bei mir zu einem recht großen Stresspotenzial. Mein geplanter Besuch und die Anmeldung in der Stadtbücherei konnte ich aufgrund von Zeitmangel leider nicht umsetzen. Ich sehe auch, dass es für jemanden der in Hartz IV gerät eine Umstellungsfrage ist und sicher nicht sein gewohntes normales Leben weiterführen kann. Dafür gewinnt er etwas hinzu, was von der arbeitenden Bevölkerung als Luxus angesehen wird: Zeit. Jetzt sehen sich viele Hartz IV Empfänger mit denen ich sprechen durfte, allerdings mehr in er Rolle des sprichwörtlichen Rentners -> die ja angeblich auch nie Zeit haben. Allerdings feht ihnen dazu der finanzielle Hintergrund und diese Ansicht ist schlichtweg falsch. Im Gegensatz zu einem Arbeitnehmer, hat ein Hartz-IV-ler 160 Stunden mehr „Freizeit“ im Monat. Natürlich gehen hiervon Amtsbesuche und ähnliches ab, aber auf Seite der Arbeitnehmer habe ich auch keine Wege zur Arbeit angerechnet.
Hinzu kommt eine moralische Komponente, die gerne außer acht gelassen wird. So wird immer wieder moniert, Hartz IV würde im Freizeitbereich nicht reichen. Abends weggehen in die Kneipe wäre so teuer und so weiter. Ich verstehe diese Argumente sehr gut, allerdings vergisst man dabei die Zahler von Hartz IV. Ich müsste mich doch sehr täuschen, wenn jemand der hart für sein Geld schuftet, gerne Vollräusche, exesiven Tabak-Konsum oder sonstige „Genussmittel“ für andere finanzieren würde. Außerdem ist der Konsum dieser Artikel in Maßen durchaus auch mit Hartz IV gegeben. Sicher, Meckern gehört zum Handwerk, aber man muss doch realistisch bleiben.
Letztendlich kommt es immer auf die einzelne Person an. Rafft man sich auf, ist aktiv und kreativ, kann man viele Dinge auch mit Hartz IV erleben und tun. Die gleichen Ansprüche wie ein Normalverdiener lassen sich damit allerdings nicht realisieren, aber dies ist auch nicht der Anspruch von Hartz IV.