Hier gehts zum geistigen Zentrum Matrimandir

Auroville die andere Gesellschaftsform

Auroville ist eine universelle Stadt, die sich sehr kosmopolitisch gibt und einen gänzlich anderen Ansatz zur Gesellschaft verfolgt, als man ihn sonst auf der Welt kennt. Es handelt sich um eine geplante Stadt, deren Grundsteinlegung 1968 stattfand. Während meiner politikwissenschaftlichen Studien stolperte ich schon über dieses Projekt und konnte es nun im Zuge einer Indienreise selbst besuchen. Hier ein kleiner Erfahrungsbericht über Auroville und einer Gesellschaft, die im Grunde gar keine sein möchte.

Auroville – Erfahrungsbericht

Es ist nicht ganz einfach Auroville zu erreichen, da sich die etwas andere Stadt weit außerhalb befindet. Man kann entweder die weitere Anreise von Chennai (dem ehemaligen Madras) oder eine „gemütliche“ Taxifahrt von Punducherry wählen (gemütlich bedeutet in diesem Zusammenhang in Indien nur, dass man die Fahrt in der Motorriksha ohne Unfall übersteht). Die ersten Erwartungen werden getrübt, wenn man gar nicht bemerkt, dass man sich auf dem Gebiet von Auroville befindet. Es sieht aus, es riecht und es fühlt sich immer noch wie Indien an und man wird sich bewusst, dass es sich eher um ein dünn besiedeltes Gebiet und eben nicht um eine Stadt handelt. Der erste Gang führt zum Besucherzentrum, der Ort an dem sich Auroville selbst vorstellt. Ein paar Geschäfte und Boutiquen gibt es daneben und wüsste man nicht, dass man sich in Auroville befindet, könnte man meinen, man sei in einem Batikgeschäft gelandet.

Um einen Besucherpass zu erhalten, muss man sich einen kurzen Film (World of Devine) über Auroville anschauen. Darin wird die Geschichte und die Idee hinter dem Projekt genauer erklärt und verbreitet. Hat man vorher noch nichts von Sri Aurobindo und Mirra Alfassa (The Mother) gehört, kann man sich dort erste Eindrücke verschaffen. Ebenfalls im Besucherzentrum findet man eine Ausstellung, die über aktuelle Bewohnerzahlen, verschiedene Bauprojekte und diverse weitere Statistiken informiert.

Der Matrimandir

Über verschiedene Fußwege hinweg wird man in die Gärten in die Nähe des Matrimandir geführt und kann ihn von dort aus betrachten. Es sieht schon sehr abgefahren aus, wenn einem eine riesige goldene Kugel mitten in der Landschaft begegnet. Zwar wird im Film behauptet, dass es Besuchszeiten für Außenstehende für das Innere des Matrimandir gäbe, was sich allerdings als falsch erwies. Der Matrimandir ist das geistige Zentrums Aurovills und setzt sich in konzentrischen Kreisen nach außen fort. Im Inneren gibt es einen vollständig weißen Raum (innere Kammer) mit einem Glaskristall. Einzige Lichtquelle ist eine Öffnung in der Kuppel an der die Lichtstrahlen über Spiegel gebündelt auf den Glaskristall ( Durchmesser 70 cm) geworfen werden. Durch diesen Effekt wird eine beeindruckende Atmosphäre im Inneren erzeugt. Außerhalb des Matrimandir in den darauf zulaufenden Pfeilern befinden sich weitere Mediationskammern.

Der Matrimandir von Auroville in Indien
Der Matrimandir, das geistige Zentrum in Auroville.

Das geografische Zentrum der Stadt ist ein Baum unweit des Matrimandirs. Das Gebäude selbst, hatte eine beeindruckende Bauzeit von über 40 Jahren und wurde von The Mother und Roger Anger entworfen.

Leider bekommt man so direkt nicht auf Anhieb den besten Kontakt zu Aurovillianern, schließlich sind sie alle mit etwas beschäftigt, also Konzentration, Yoga oder was immer sie auch möchten. Die Besucherströme sind wohl eher gleichgültig und man fragt sich, warum dies nicht besser genutzt wird. Wer eine geführte Tour haben möchte, kann es vergessen, einzig und allein im Besucherzentrum kann man sich ein paar kostenpflichtige Informationsprospekte mitnehmen.

Geschichte von Auroville

Die Geschichte von Auroville hängt ganz eng mit Sri Aurobindo zusammen und beginnt Ende des 19. Jahrhunderts. Sri Aurobindo würden wir hier als Guru bezeichnen, der von einem Ort träumt, der keinem gehört und an dem sich die Menschen zu einer neuen Gesellschaft zusammen finden. Er traf 1914 als Yogi auf seine Schülerin und spätere spirituelle Partnerin Mirra Alfassa, besser bekannt als die Mutter / The Mother. Es mag sich jetzt ein wenig komisch anhören, aber die beiden lebten in ihrer eigenen spirituellen Welt. Zum zweiten Weltkrieg meinten die beiden, sie hätten den Kriegsverlauf mit ihren spirituellen Kräften beeinflusst, wobei man von Sri Aurobindo eigentlich nichts genaues weiß, denn dieser hatte sich seit 1926 in sein Zimmer zurückgezogen. 1943 starb er, aber nur wir sagen sterben dazu, die Mutter nannte es, er arbeitet nun in einer höheren Ebene, bzw. er hat seinen Körper zurückgelassen.

1968 war es dann soweit und es kam zur Grundsteinlegung in Auroville. Die Mutter übernahm die Führerschaft, bis sie 1973 ebenfalls ihren Körper verließ. In der Folge kam es zu einem Streit, wer denn für Auroville zuständig sei, der Ashram des Sri Aurobindo oder die Aurovillianer selbst. Den Rechtsstreit konnte Auroville für sich entscheiden.

Rechtlich untersteht Auroville der Auroville Foundation, die eng mit der indischen Regierung und den Einwohnern zusammen arbeitet. An sich ist aber Auroville niemand Rechenschaft schuldig und auch kein Aurovillianer. Es gibt also grundsätzlich gesehen keine Gesetze oder Regeln in Auroville. Die Regeln, welche benötigt werden, kommen durch Arbeitskreise zustande, in denen ein sehr großer Wert auf Konsens und Transparenz gelegt wird. Da der Konsens im Vordergrund steht, ist es leicht zu verstehen, dass die Arbeitsprozesse in Auroville sehr langsam und träge vonstatten gehen. Zudem häufen sich die Interessenskonflikte der einzelnen Gruppen. Die UNESCO hat 1966 beschlossen, dass  Projekt Auroville anzuerkennen und zu unterstützen.

Jedem Aurovillianer steht ein bedingungsloses Grundeinkommen zu, mit welchem er sich in Auroville versorgen kann. Zusätzlich gibt es eine öffentliche Solarküche, in der die meisten Menschen versorgt werden. Von den Bewohnern wird jedoch erwartet, dass sie im durchschnittlich circa 5 Stunden für die Gemeinschaft tätig sind und zusätzliches Einkommen erwirtschaften.  Auroville wächst auch heute noch und die beeindrucke Leistung liegt vor allem darin, dass sie ein Ödland in eine für Indien grüne Oase verwandelten.

Kritik an Auroville

Jetzt kommen wir zu meinem persönlichen Part… Es ist toll, dass Menschen versuchen einen Ort zu schaffen, an dem Politik nicht wichtig ist, sie nach den natürlichen Gesetzen und Empfindungen leben und überhaupt eine bessere Menschheit schaffen wollen. Solche Projekte sind wichtig und richtig, aber Auroville ist ein Witz. Ich meine, sie lehnen zwar Religion allgemein ab, ersetzten den Begriff aber eins zu eins mit Spiritualität und leben nach den Regeln ihres Yogis. Zudem diese behaupteten sie hätten andauernd spirituelle Erfahrungen, hätten den zweiten Weltkrieg beeinflusst, usw. Man muss sich schon darüber im klaren sein, dass man es mit vielen Menschen zu tun hat, die auf der Suche nach einem Sinn ihn ihrem Leben sind, religiöse Erfahrungen sammeln möchten und vielleicht sogar noch einmal ganz neu anfangen wollen.  Wie dem auch immer sei, das Ansinnen ist toll, die Umsetzung ist leider nicht praktikabel. Der Matrimandir hatte deswegen eine Bauzeit von 40 Jahren, klar, wenn immer alle einverstanden sein müssen.

Vielleicht fehlt es in Auroville auch einfach nur ein wenig an Pragmatismus. Wenn da 200 Schwaben einziehen würden, wäre das Land innerhalb von 2 Jahren urbar gemacht und würde als florierendes Wirtschaftsunternehmen gewinne abwerfen. So allerdings wird gesprochen, geredet, wieder geredet und einfach so lange gequatscht, bis sich alle einig sind.

Der Anspruch keine Politik und keine Religion zu haben, erfüllt sich nicht einmal im Ansatz. Vielleicht sind sie ein wenig so wie die Schweiz, welche sich aus den großen Kriegen und Themen heraushält, aber dennoch sind es eben die kleinen Themen, die dann in den Vordergrund rücken.  Zu behaupten, sie würden keiner Religion und keinen Regeln folgen ist nun der endgültige Witz, da geht es im Vatikan weniger religiös zu.

Als nächstes wäre der Punkt, dass Auroville der Gedanke an Gewinne angeblich fremd sei und man einfach zur Selbstversorgung und zum Selbstkostenpreis produziere. Ich allerdings musste feststellen, dass die aurovillianischen Produkte und die Auroville Shops gerne mal das doppelte und dreifache nehmen, was sonst der marktübliche Preis in Indien ist. Zudem werden Tagespässe verkauft, Anwärter müssen größere Summen hinterlegen und ein internationales Netzwerk von Vereinen sammelt fleißig Spenden. Auf jeden Aurovillianer kommen im Schnitt 2,5 Einheimische und hinzu ein zahlender Gast, Pratikant oder Anwärter.

die Umsetzung in Auroville enttäuscht
Markt und Forschunsprojekt Auroville

Der Punkt der wissenschaftlichen Offenheit wird zumindest bedingt umgesetzt. Man beschäftigt sich vor allem mit alternativer Energie, Wasseraufbereitung und Themen, die für das regionale Leben nützlich sind. Der Umsetzung fehlt jedoch ein wenig gewissenhafte Ausführung und so hat man immer das unbestimmte Gefühl einem Schulprojekt beizuwohnen. Zudem sehe ich nur wenig Grundlagen um echte Forschung zu betreiben, da die meisten Wege noch nicht einmal geteert sind. Gerade während des zweimal jährlich auftretenden Monsums hat dies schwerwiegende Kosequenzen zur Folge.

Und somit bleibt leider von Auroville nicht viel übrig, was ich wirklich sehr schade finde. Solche Projekte und Ideen einfach und funktionierend umzusetzen ist vielleicht die größte Utopie an der ganzen Geschichte.


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