Ein Roman von Stephen King von 1978 ist heute aktueller denn je. Ich habe ihn 2022 mit einer Spieldauer von geschlagenen 54 Stunden und 9 Minuten gelesen, bzw. als Hörbuch konsumiert. Und vielleicht möchte ich gar nicht so sehr auf den Inhalt des Buchs eingehen, sondern das Werk mehr in das heutige Umfeld einordnen. Deswegen auch nur eine kurze Inhaltsbeschreibung. Auf Spoiler möchte ich großteils verzichten, damit niemanden das eventuelle Lesevergnügen verdorben wird.
Inhalt The Stand – das letzte Gefecht
Irgendwo in einem Labor im Amiland bricht durch menschliches Versagen eine Superseuche aus einem Militärkomplex aus. Die Menschen können der rasend schnellen Verbreitung nichts entgegensetzen und bei einer Mortalität von 99,9% gibt es nur wenige Überlebende. Im Zuge der Ereignisse finden sich die Menschen zu neuen Gesellschaften zusammen und scheinen gewisse kollektive spirituelle Erlebnisse und Träume zu teilen. Neue Bedrohungen erheben sich am Horizont und so ist auch der letzte Rest der Menschheit dazu gezwungen sich für die Seite des Guten oder des Bösen zu entscheiden.
Kurzfazit für ganz Eilige
The Stand ist ein ideales Hörbuch, wenn dich eine Erkältung erwischt oder du gerade die Reaktion des letzten Boosters genießen darfst. Keine Leseempfehlung gibt es für Leute, die geistig nicht sehr gefestigt sind, sich leicht beeinflussen lassen oder auch eine Tendenz in die Esoecke zeigen.
Fakten zu the Stand
Das Buch erschien zunächst in einer von King selbst um circa 500 Seiten gekürzten Fassung, da es der Verlag zu einem Preis von 12,99 $ auf den Markt bringen wollte. Im Internet kursiert ein Video von circa 1990 in der King die Veröffentlichung der neuen überarbeiteten Version ankündigt, die mehrere hundert Seiten des ursprünglichen Manuskripts wieder aufgenommen hatte. 2016 erschien im Heyne Verlag eine ungekürzte Neufassung mit 1712 Seiten.
King ließ sich für den Buchtitel vom Song Dschungle Land von Bruce Springsteen inspirieren. Der Titel bezieht sich dabei auf die Liedzeile: „Tonight all is silence in the world, as we take our stand“
Ursprünglich sollte the Stand in den 80ern vom George A Romero auf die Leinwand gebracht werden. Er gilt bis heute als einer der Urväter des modernen Zombie- und Horrorfilms. King brachte es allerdings nichts übers Herz sein Buch auf die Länge eines Films zusammenzuschneiden.
Stephen King selbst schrieb das Drehbuch zur 1994 erschienen Miniserie von the Stand.
Von 2008 bis 2012 veröffentlichte Marvel Comics eine Serie bestehend aus 31 Heften mit dem Titel the Stand. Im Gegensatz zur Fernsehserie unterlagen diese nicht den damaligen Restriktionen und konnten die ursprüngliche Vorstellung Kings äußerst eindrucksvoll und detailreich darstellen.
Flagg entwickelte sich zu einem wiederkehrenden Bösewicht in Kings Werken. Seinen nächsten Auftritt hatte er 1984 in „the Eyes of the Dragon“, in welchem der Leser viel über die Geschichte Flaggs erfährt. Außerdem wurde Flagg zu einem Hauptbösewicht in der Serie der dunkle Turm.
Der Roman in seiner jetzigen Länge umfasst knapp 467.000 Wörter und ist somit das längste je von Stephen King geschriebene Buch.
Der Beitrag als Video für Lesefaule
Rezension the Stand – Leseerlebnis
Bei Stephen King bin ich recht unbeleckt, da ich seinen Stil eigentlich nicht mag. The Stand wurde mir als Zombie-Fan aber immer mal wieder vorgeschlagen und mit einem übrigen Guthaben bei Audible gönnte ich mir den Spaß. Im linken Oberarm hatte ich 3 Stunden zuvor den Booster erhalten und so langsam fing ich an zu frösteln. Ich legte mich schon früh am Abend ab und ließ das Buch über das Handy laufen, ohne die geringste Ahnung zu haben, um was es eigentlich ging. Die nächsten 12 Stunden tauchte ich fiebrig, zitternd und mit Gliederschmerzen tief in die Welt von the Stand ein. Ich war erstaunt, wie gut das Buch zu meiner und zur aktuellen Lage passt. Es kam mir wie ein Test der Sattelfestigkeit des eigenen Geistes vor. Und bei Gott, gerade die ersten 16 Stunden fühlen sich wirklich wie das Playbook eines jeden Schwurblers an. Genau dieser Punkt hielt mich dann auch bei der Stange, denn bei 54 Stunden Laufzeit hat man sehr viele Möglichkeiten eine postapokalyptische Welt zu zeichnen. Ich frage mich während dieser Zeilen tatsächlich, in welchem Umfang die Geschichte aus diesem Buch in die Köpfe diverser Kritiker gepflanzt wurde oder wie oft die Grundstory aktuell wieder an schwache Geister vermarktet wird.
Wenn man sich the Stand im kränklichen Zustand gibt und immer wieder in einen Sekundenschlaf fällt, dann macht es das Buch wahrscheinlich noch authentischer und besser. Es ist sehr anstrengend den verschiedenen Akteuren und Handlungssträngen zu folgen. Außerdem handelt es sich nicht gerade um ein Kammerspiel und es mögen gut und gerne 50 einzelne Namen sein. Sich da immer an jede einzelne Figur zu erinnern und die direkt parat zu haben, ist mit einer Erkältung eine Mammutaufgabe. Die dadurch gezeichnete Gefühlswelt schickt mich als Hörer aber auf einen um so tieferen Trip durch das postapokalyptische Amerika in den Jahren 1989 und 1990.
Da jede laufende Nase auch mal ein Ende hat, wendet sich das Buch äußerst passend nach circa 16 bis 20 Stunden. Es geht jetzt weniger um den Ausbruch und es schwenkt mehr auf eine gesellschaftliche Ebene ein. Die einzelnen Charakter finden sich allmählich zusammen und versuchen aus den Trümmern ihrer Existenz langsam wieder ein Stück Normalität zu formen. Dabei müssen jetzt ein wilder Mix aus allerlei unterschiedlichen Menschen zusammenarbeiten, die vorher eigentlich nichts miteinander zu tun hatten. Gemeinsame Träume und Albträume leiten die restlichen Menschen und bringen eine Art neue Spiritualität ins Bewusstsein. Wenn man so gar nichts von the Stand kannte, dann kommt einem diese neue Spiritualität nicht unbedingt immer passend vor. Vor allem fragt man sich, wohin einen das Buch eigentlich noch führen möchte, gerade da ich the Stand zwischen den ganzen Zombie-Empfehlungen gefunden hatte. Jetzt weiß ich, dass es sich dabei um eine Schnittmenge dieser typischen Mad Max Welt handelte, aber während des Hörens, wartete ich schon eher darauf, dass eines der Opfers der Seuche langsam wieder einen Finger krümmen würde. Bei einer Quote von geschätzt 1 : 1000 wäre es ein äußerst aufregendes Setting für eine Z-Geschichte gewesen. Im Buch schwenkt aber alles auf die Reinkarnation einer einzelnen bösen Macht um, die aber trotzdem die traurigen Reste der Menschen unterjochen möchte. Zudem muss sie als Grund für viele zwischenmenschliche Probleme herhalten und gilt als Gradmesser für jeden einzelnen Charakter.
So völlig aus dem Nichts und komplett unpassend kommt Mülleimermann daher. Egal wie und wo ich es versucht habe, er wirkt einfach immer wie aus der Welt gefallen. Letztendlich ist er für den großen Aufreger im Buch zuständig und ich fragte mich genau an der Stelle, warum ich bis dato knappe 50 Stunden hinter mir hatte. Ich meine hey, man hätte es locker um 45 Stunden kürzen können und im Grunde die gesamte Geschichte Boulders weglassen. Es hätte am Ergebnis absolut nichts geändert. Noch mehr verwunderte mich aber, dass ich noch mehrere Stunden vor mir hatte. Da denkt man, endlich das große Finale, Endlevel, Endboss, der große Rumms und dann könnte doch eigentlich der Abspann kommen, aber nicht so bei the Stand.
War der Weg zum Finale schon schwer, dann war der Rückweg noch beschwerlicher, aber ausgerechnet das lässt mich meinen Frieden mit dem Roman machen. Für mich ist es herrlich erfrischend und neu, dass nicht alle Fäden auf das eine Finale münden und nicht den einen großen Gipfel gleichzeitig besteigen. Da wird aus „… und sie lebten glücklich bis an ihr Ende ihrer Tage“ soviel Inhalt, dass es andere Autoren ihren Verlagen locker als eigenes Werk angeboten hätten. Wenn ich mich also jetzt ein paar Tage später ans Buch zurückerinnere, dann sind mir vor allem der sehr starke Einstieg und der äußerst lange Abspann in Erinnerung geblieben. Meine Neugierde ließ mich übrigens ein wenig bei den unterschiedlichen Streamingplattformen suchen und in die einzelnen Verfilmungen reinschnuppern. Eine größere Serie mit fast sechs Stunden Spielzeit aus den 90ern hat das Ende auf etwas über 10 Minuten eingedampft und tatsächlich gibt es eine Neuverfilmung von 2021 mit 9 Stunden Spielzeit. Dabei widmet sich die letzte Folge wohl einem ähnlichen Ende wie das Buch.
Fazit und Einordnung the Stand
Bleibt mir noch die Einordnung in meinen eigenen Lesekanon und der Vergleich zu anderen Werken. Eine Superseuche bricht aus und richtet den Großteil der Erde hin. Das ist jetzt nicht gerade die neueste Geschichte, muss aber im zeitlichen Kontext gesehen werden. Das Buch wurde in den 70ern geschrieben und auch da war King nicht der Ursprung der Idee. Als ausgesprochener Zombiefan steht dieses Konstrukt faktisch bei jedem 2. Werk am Anfang. Sieht man sich die Zeit von 2020 bis 2022 an, dann muss man sich eher fragend am Kopf kratzen und sollte die Schwurbler vielleicht auf dieses Buch hinweisen.
Sieht man über die Grundidee hinweg, so übt the Stand durchaus auch heute noch großen Reiz aus. Es spielt ausgerechnet in den letzten Jahren vor der Digitalisierung, ganz knapp vor der Zeit in der alle anfingen mit Handys herumzulaufen und letztendlich gab es noch keine Chips in praktisch allen Dingen des Alltags. Und auch wenn die beschriebene Welt sich gegen ihr Ende wehrt und sich selbst nur noch an die Zivilisation erinnert, so fühle ich mich durch the Stand an die Zeit vor den Computern zurückversetzt. Bei mir schwingt also ein ordentliches Stück Nostalgie mit und vielleicht hat sich das Hörbuch auch deswegen gelohnt.
Um ehrlich zu sein, als gedrucktes Werk hätte ich wahrscheinlich nicht bis zum Ende durchgehalten. Zu viele einzelne Seitenstränge der Geschichte werden erzählt und mir fiel es wirklich schwer jedem Strang zu folgen. Auch die große Unterteilung in Ausbruch, finden der Heldentruppe, der Wiederaufbau, das letzte Gefecht und das ausufernde Ende hätten alles gut und gerne einzelne Bücher einer ganzen Serie sein können. Tatsächlich hat the Stand einen größeren Umfang wie die gesamten Tagebücher der Apokalypse in vier Bänden. Mir persönlich sind die Tagebücher noch ein wenig lieber als the Stand, obwohl man deutliche Parallelen sieht. Die Tagebücher gerade im ersten Band kommen mir noch ein wenig detaillierter vor, beziehen sich aber auch nur auf die Heldenperspektive. Dies tut the Stand aber keinen Abbruch. Und wenn wir schon bei den fantastischen Welten sind, dann zieht es mich in Gedanken immer wieder zu Dune und der Herr der Ringe. Die Geschichten könnten kaum weiter auseinander liegen, aber trotzdem habe ich das Gefühl, dass mich auch bei Dune am ehesten das Hörbuch ansprach.
Auch wenn ich eine allgemeine Leseempfehlung für the Stand abgebe, vor allem wenn man gerade ein wenig kränkelt oder ein Kind der 80er ist, so möchte ich mich doch von dieser Welt verabschieden. Ich werde mir auch keine Verfilmungen davon ansehen und es als abgeschlossenes Kapitel behandeln. Ich habe es genossen das Werk zu entdecken und vielleicht habe ich tatsächlich meinen Frieden mit Stephen King geschlossen, aber jetzt freue ich mich auf neue Bücher und neue Welten.
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