Hier sieht man den Titel des Buchs

Der Feind in meinem Büro

Ein Fünftel aller Angestellten hasst ihren Chef und 80% mögen ihn nicht. Bei diesen Zahlen war klar, dass mir der Lesestoff auf den Leib geschneidert ist. Vielleicht kann mir das Buch den einen oder anderen Tipp zur Steigerung der Produktivität oder zur Mitarbeitermotivation geben, vielleicht das Betriebsklima verbessern und so letztendlich das Betriebsklima verbessern. Das Ziel ist aber trotzdem noch Geld zu verdienen und nicht ein Happykinderland für Mitarbeiter zu erschaffen. Der Feind in meinem Büro ist ein Buch dessen Titel mich sehr gespannt auf den Inhalt sein ließ.

 

Die Buchkritik als Video

Buchkritik der Feind in meinem Büro

So spannend der Buchtitel auch ist, ich mag mich nicht so richtig in der Zielgruppe sehen. Naturgemäß dreht sich schon die Hälfte des Buchs nur um die Mitarbeiter, aber die Hälfte des Chefs unterteilt sich weiter in mittleres Management, Personalabteilungen, irgendwelche Abteilungsleiter und jeden Pups, der irgendeine arme Seele unter sich wähnt. Der klassische Mittelstandchef wird leider nur am Rande erwähnt und vor allem als absolutistischer und zukunftsscheuer Herrscher abgebildet. Zudem wird das Spannungsverhältnis sitzt er angeblich zwischen den Stühlen auf der einen Seite die Mitarbeiter bei Laune zu halten und andererseits die Kundenwünsche auf den Punkt zu erfüllen. Weder das eine, noch das andere ist zutreffend, denn letztendlich will man am Ende des Monats irgendeine schwarze Zahl außer 0 unter dem Strich stehen sehen. Hat man die nicht, wird es Zeit den Schlüssel umzudrehen, die Mitarbeiter auf die Straße zu setzen und den Schuppen zu schließen oder zu verkaufen. Für kleine aktuelle Technologie-Butzen, die sich vor allem auf dem Innovationssektor herumtreiben, zieht das Buch nicht, vor allem weil größtenteils das klassische Arbeitnehmermodell besprochen wird. Warum sollte ich nicht einfach die Belegschaft am Erfolg der Firma teilhaben lassen und ihn ein paar Prozente vom Gewinn abtreten? Warum sollte ich einem Mitarbeiter, der mit einer Bombenidee um die Ecke kommt, nicht 10 % abtreten?

Als ich las, dass der Feind in meinem Büro von einem Trainer geschrieben wurde, war ich sofort skeptisch. Ich möchte gerne genauer erklären, warum. Nehmen wir das Beispiel des klassischen Trainers im Fußball – der ist mittlerweile zu alt um selbst Höchstleistungen auf dem Platz zu bringen und gibt sein gesammeltes Wissen an seine Mannschaft weiter. Mit dieser Mannschaft feiert er nun Erfolge oder ggf. teilt er auch die Niederlagen. Bezieht man dieses System auf Firmen, fragt man sich, warum Marktteer, Trainer und Berater selbst nicht mehr in der Lage sein sollen, erfolgreiche Firmen zu leiten? Oder besser gefragt, wo finde ich das Ex-Vorstandsmitglied eines DAX-Konzerns, welches sich als Berater hergibt? ( An dieser Stelle sollen ehemalige Politiker ausgenommen sein, die man sowieso eher aufgrund ihrer Netzwerke beschäftigt)

Diese Berufsgruppe kann einem selbst die Augen in Bereichen öffnen, in denen man über die Zeit etwas betriebsblind wurde, aber vom Business haben sie einfach keine Ahnung. Wären sie so erfolgreich, würden sie sich liebend gerne prozentual am Erfolg ihrer Maßnahmen zahlen lassen. In der Realität findet man solche Angebote äußerst selten und so klagen sich die echten Chefs höchstens bei irgendwelchen Unternehmertreffen gegenseitig ihr Leid.

Gehen wir mal davon aus, dass man Mitarbeiter beschäftigt, die während ihrer Arbeitszeit einfach nur die ihnen gestellten Aufgaben erledigen sollen. Gehen wir zusätzlich davon aus, dass man Mitarbeiter gerne fördert, ihre Ideen auf Umsetzbarkeit überprüft und ab und zu auch ein offenes Ohr für sie hat. Sie werden am Gewinn beteiligt, können sich ihre Arbeitszeit frei legen und sogar den Ort ihrer Arbeit. Als Gegenleistung wird einfach nur gefordert, dass sie Schaffen und wenn sie etwas nicht verstehen sagen: „Chef, ich verstehe die Aufgabe nicht.“ Schon reines Wunschdenken ist die Rückmeldung: „Chef, Aufgabe erledigt, ich habe jetzt die nächsten 4 Stunden nichts zu tun.“ Hört sich doch grundsätzlich nach einem positiven und fairem Arbeitsplatz an, aber in der Realität werden auch hier die meisten Mitarbeiter trotzdem den Niveaulimbo tanzen und einfach nicht gescheit performen. Mitarbeiter die aber nicht performen schmeißt man raus, denn warum sollte ich jemanden beschäftigen, der im wahrsten Sinne des Wortes seine Arbeit nicht wert ist?

Zwar beschäftigen sich die letzten Kapitel des Buchs durchaus mit einer idealen Arbeitswelt und wie man diese erlangt, aber diese sind teilweise sehr utopisch. Kleine Aufmerksamkeiten, eine saubere Kommunikation zwischen Chef und Mitarbeiter und immer ein achtsames Auge auf die Realität müssen für eine normale Firma einfach reichen. Da kann man nicht wie Microsoft seine Mitarbeiter 20 Tage pro Jahr auf Fortbildung schicken, die wie selbstverständlich noch auf den normalen Urlaub angerechnet werden.

Der Vorwurf des Buchs in Unternehmerrichtung lautet, das man in seinem Job ungelernt sei und diesen Vorwurf muss man sich durchaus gefallen lassen. Wie kann man denn lernen Chef zu sein und vor allem, wer könnte es einem beibringen? Die Lösung kann angeblich ein Coach liefern: man holt sich einen Trainer ins Haus und lässt sich beraten. Wie Schwachsinnig müsste ich sein, wenn ich mich von jemanden als Chef ausbilden zu lassen, der nicht die Grundlage wirtschaftlichen und industriellen Handelns verstanden hat? Hier klaffen Galaxien auseinander, zwischen Chef und Belegschaft nur ein paar Welten. Wie oft habe ich auf irgendwelchen Treffen diese Schluffis gesehen, Lachtherapeuten, Feel-Good-Manager und Unternehmensberater. Sie kreisen um einen wie ein Geier, bringen absurdeste Beispiele und brechen Probleme bis ins tausendstel herunter. Ein kleines Beispiel, auf einem Businesstreffen, was die Bezeichnung definitiv nicht verdient hatte, traf man auch die üblichen Verdächtigen. Man erkennt sie mit einer gewissen Erfahrung sofort, wie man sich auch gegenseitig als Chef erkennt. Eine Parallel-Welt, die den Normalos verschlossen bleibt. Vielleicht sieht einer auf den ersten Blick aus, wie ein Penner, dann sieht man aber das taschenlose Businesshemd, da blitzt ein gewisser Füller, da erkennt man ein selbst-geknöpftes Armband an einer sehr speziellen Uhr. Wie dem auch sei, natürlich gab es eine kleine Vorstellungsrunde und danach einen Minivortrag zur allgemeinen Aufheiterung, Vertrauensbildung oder als Einstieg zum Netzwerken. Das erste „freiwillige“ Opfer wird in die Mitte gerufen. Der Coach läuft entgegengesetzt los und rempelt forsch mit der Schulter. Das Opfer kommt ins Schwanken und als großer Zaubertrick wird präsentiert, dass wenn man in die Knie geht, Rempler besser auspendeln kann und man solle das auch in seinem Unternehmen beachten. Klar ist das richtig und stimmig, wenn sie dies aber in ihrem Unternehmen umsetzen, werden sie hemmungslos untergehen.

Der Coach machte den Fehler mich nicht als Chef zu identifizieren und lies mich die Übung nochmals mit ihm durchspielen. Als er kam, machte ich zwei energische Schritte auf ihn zu, versteifte meinen Oberkörper und drehte meine Schulter voll ihn ihn rein. Er fiel wie ein nasser Sack und selbst mit seinem verschissenen Auspendeln hätte er keine Chance gehabt.

Oh einen Angriff auspendeln, abfedern – BULLSHIT! Greife selbst an, setze deine Interessen verbindlich durch. Hast du das nicht drauf, dann wirst du auch auf keinem Markt bestehen und hast keine Berechtigung zu wirtschaften. Unterschätze nie einen Arzt oder Unternehmer, die Soziophatendichte ist da immer extrem hoch…

Der Feind in meinem Büro Fazit

Das Buch tut zwar so, als wäre es für alle geschrieben, richtet sich aber aber an Angestellte in allen Positionen. Die können dabei auch noch was lernen und vielleicht eine Einsicht bekommen. Es mag auch viele Stellen haben an denen man ein Dejaveauhat und sich unterhalten fühlt. Ich befürchte nur, dass sich nicht die positiv gestimmtesten Mitarbeiter das Buch holen, sondern potenzielle Mobbing-opfer. Die meisten hatten schon mindestens einmal Stress im Büro, schließlich halten die meisten die Chefs für unfähige Deppen und viele hassen sie. Für eine kleine gewisse Mitarbeitergruppe ist das Buch lesenswert und bekommt auch eine Empfehlung. Für meine Berufsgruppe empfehle ich ein Glas zwanzig Jahre abgelagerten Single Malt.

Jahr der Erstveröffentlichung 2005, erschienen im Ullstein-Verlag.


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