Die Zeiten ändern sich und ich tippe diese Zeilen auf meinem kleinen mobilen Laptop, während ich bei meinem Steuerberater im Vorzimmer warte. Ganz seriös mit Anzug und Krawatte, Seitenscheitel und Aktenordner. Nicht das es nötig wäre oder Kunden es verlangten, es ist eher ein neues Level des alten Spiels. Man sitzt jetzt ein bisschen mehr am Tisch der Habenden und hat die Niederungen verlassen. Wie dem auch sei, die eigentliche Geschichte liegt ein paar Jahre zurück.
Marburger Lesung
Die Unistadt Marburg rief eine Künstlerwoche aus. Die Leute pinselten, bauten Skulpturen, hielten Lesungen und performten auf der Bühne aus. Nichts ungewöhnliches für Marburg und jeder hatte den Druck es rauszulassen und jeder sponn sich zu seiner Aktion den passenden Backround. Der ganz normale Wahnsinn der Branche machte sich breit und die Leute juckte es herzlich wenig, außer man hatte direkt mit dem ganzen Scheiß zu tun.
Ein kleines Highlight gab es dann doch noch, denn für den letzten Abend war ein Bukowski-Lesung angekündigt und klar war ich dabei. Sie sollte im Foryer der alten Stadthalle ablaufen. Platz gabs genug und es wurde massig aufgestuhlt. Es gab kein Bier, nur Sekt und Wein. Alles voller Schlipsträger und ich mit meiner Begleitung mittendrin. Ein schwerer bärtiger Typ nahm vorne Platz, setzte sich seine kleine Lesebrille auf die Nase und lies seine versoffene Stimme durch den Raum schallen. Die Schlipsträger waren schon nach dem ersten Satz entsetzt; ich freute mich wie ein kleines Kind. Weiter hinten hatten sich ein paar andere Buk-Leser eingefunden, vielleicht auch ein paar Normalos. Man merkte es an den Zwischenrufen und am leisen Zischen der geschmuggelten Bierdosen, als sie geöffnet wurden.
Vorn auf der Bühne rollte Hank wieder irgendwo runter, neben mir rollten sie mit den Augen und hinten gröhlten sie. Nach 40 Minuten war Pause und es wurden die würdigsten Künstler der Woche ausgezeichnet. 2 Minuten später waren alle Krawattenträger verschwunden und wir blieben zu zehnt zurück.Es wurde dann doch noch eine ganz gute Künstlerwoche in Marburg…
Der dreckige alte Mann
Buk war mein Einstieg in so ziemlich alles. Bitter zu sagen, aber nah dran.
Einfache Worte, klare Aussagen, das Leben scheißt einem vor die Füße und man tritt voll rein – immerhin wärmt es ein wenig.
Im Gegensatz zur allgemeinen Meinung war er während seiner Schreibphasen ein sehr kontrollierter Trinker. Ich mag keine Trinker. Die meisten sind einfach zu stressig wenn sie gesoffen haben. Mit Pferden habe ich auch nichts am Hut, der Kick ist nicht hart. Meine Steckenpferde waren die Automaten. Bin jetzt auch schon 4 Jahre trocken, aber wenn man damit aufhört, reißt es ein Loch in dich, das sich nie wieder schließt. Drogen ziehe ich mir keine rein, aber nur aus dem Grund, weil ich sonst spätestens nach 2 Jahren an der Nadel hängen würde und meinen hässlichen Arsch verkaufen müsste.
Und dann gab es da noch die Fickerei, aber irgendwann glaubt man wahrhaftig, man hätte schon jede Muschi gesehen und man gönnt dem Ding freiwillig die Pause, ganz ohne R. und C. und M. und L.
Wahrscheinlich habe ich den dreckigen alten Mann einfach zu früh gelesen, zu viel übernommen; hinterher heulen bringt nichts. Schließlich ist da noch die überraschende Scheiße, in die einen das Leben schickt. Das ist auch nach all den Jahren immer noch erstaunlich und nein, ich möchte gar nicht in einem normalen Job verkommen. Jeden Tag die Maloche, jeden Tag die Tretmühle. Hut ab vor jedem der es durchsteht, ich bin nicht hart genug.Ich langweile mich unter den meisten Menschen. Die Stories sind oft nicht gut oder noch schlimmer, sie haben nur eine, die bis zum bitteren Ende geritten wird. Ich wäre gerne der sabbernde Idiot an der Ecke, da hatte Hank schon recht.
Was mir bleibt sind die Empfehlungen: Hemmingway, Miller und Fante. Danke dafür du dreckiger alter Mann und sonst für nichts.
Buk-Style / Anmerkungen
Die beiden Geschichten entstanden für einen Verlag im Zuge einer Anfrage für eine Anthologie zum 20. Todestages Charles Bukowskis. Insgesamt sind dies 2 von 3 Beiträgen, bei denen sich der Verlag wohl ordentlich einstuhlte und sie keinesfalls veröffentlichen wollte. Eigentlich stuhlten sie wohl eher deswegen ein, weil ich die Filmrechte, sowie die Zweitverwertungsrechte und die Zustimmung für weitere Auflagen nicht rausrücken wollte. 😉
Die erste Story wurde nach einer wahren Begebenheit geschrieben.